Tera, die kleine Fledermaus
Tera hörte ihrer Mutter gern zu, wenn diese erzählte, dass sie alten, stolzen Rassen angehörten, die viel, viel älter als Menschenrassen sind. Und noch etwas Aufregendes erzählte die Mutti: " Du wirst lernen, dass Deine Ohren und nicht Deine Augen Dir beim Fliegen und Jagen nützen werden. In Dir setzt sich ein Echolot in Betrieb, wenn Du fliegen willst. Erst musst Du rufen und wenn Dein Ruf zurückkommt, kannst Du ohne Bedenken fliegen und hast keine Hindernisse zu befürchten." Tera war so fasziniert von der Erzählung, dass sie gleich anfing, ihre Piepsstimme auszuprobieren, als Mama zur Jagd ausflog und Tera sich schon alleine am Holzbalken festklammern konnte. Hui, da flog etwas ganz Großes, Gruseliges an Tera vorbei, mit großen Augen und rief:" Uuhuhuu!" Tera erschrak sehr, Mami war noch nicht zurück und so nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte ganz leise und kleinlaut:" Wer bist Du und warum fliegst Du hier herum und rufst so komisch?" Uuhuhuu - ich bin der Uhu und wohne auch hier, siehst Du die kleine Dachluke dort? Das ist mein Zuhause. Ich bin auch eine Jägerin der Nacht, wie Deine Mutti." "Kannst Du auch mit Echolot fliegen?" fragte Tera. "Nein, ich habe sehr gute Augen und fange meine Beute, wenn ich sie sehe." "Na, dann wünsche ich Dir viel Jagdglück und auf eine gute Nachbarschaft." Rief Tera noch hinterher. So lernte sie jeden Tag mehr und mehr und bald durfte sie mit anderen Fledermauskindern schon allein auf die Jagd. Das war zuerst ein mühsames Unterfangen. Oft flogen sie an ihrer Beute noch vorbei. "Aller Anfang ist schwer." sagte Mama lächelnd. "Etwa 4000 Insekten wirst Du Dir als erwachsene Fledermaus pro Nacht fangen müssen, da heißt es eben üben, üben und nochmals üben.
Eines Morgens, der Tag hellte schon, war große Aufregung in der Wochenstube. Viele Jungtiere fehlten noch, sie waren von ihrem Jagdausflug noch nicht zurück. Die Mütter waren voller Sorge. Was war geschehen? Auf einmal, wie eine Wolke, kam das junge Volk herbeigeschwebt. Alles piepste und fiebste durcheinander. Aufregung pur! Beim Tollen und Jagen hatten sie in der Eile das Einflugloch verfehlt und waren in ein offenes ‚Fenster eines menschlichen Wohnraums geraten. Dort hatten sie die ganze Familie in Panik versetzt. Die Kinder sprangen aus den Betten und schrieen vor Aufregung. Vater und Mutter klatschten in die Hände und machten immer ksch. ksch! Ein Fledermausjunges blieb in der Gardine hängen. Der Menschenvater holte ihn ganz vorsichtig aus dem Gewebe und zeige das Tier seinen Kindern. Die waren nun ganz entzückt und streichelten sein weiches Fellchen. Der Vater setzte die kleine Fledermaus auf das Fensterbrett. Inzwischen hatten sich alle Jungen orientiert und fanden wieder hinaus. War das ein Nachtende!!! Jetzt ließ die Aufregung nach und Müdigkeit machte sich breit. Aber erst noch bekamen sie von den Müttern die Belehrung, offene Wohnstuben der Menschen zu meiden. "Die sind auch für kleine Fledermäuse tabu!"
"Wir brauchen die Menschen als unsere Freunde, wie soll das gelingen, wenn ihr sie in Angst und schrecken versetzt?" fragte Mutti Chiroptera. "Das soll auch nicht noch einmal passieren." beteuerten die Kinder. "Wir möchten doch auch gern mit allen Menschen Freundschaft halten!" "So soll es dann auch sein." Nickten die Mütter ihren Kindern zu. "Aber nun hängt euch schnell hin und versucht zu schlafen nach dieser aufregenden Nacht. Die Sonne nickt schon dem neuen Tag zu." Im Traum summte Tera noch das kleine Lied vor sich hin: "Ich bin eine kleine Fledermaus…."
von Inge Wrage